Ist die PR-Kritik der FTD berechtigt?

In der letzen Ausgabe der Financial Times übt das Blatt Kritik an rüden PR-Methoden. In dem Artikel “An der Leine der PR” wird Kommunikationsabteilungen und -agenturen ein Eingreifen in die Kommunikation zwischen Presse und Unternehmen vorgeworfen. Illustriert wird das Beispiel eines PR-Managers, der einem Journalisten die Visitenkarte eines Managers wegschnappt – ohne Frage ein No-Go. Es folgen weitere Beispiele und am Ende des Artikels fällt der Begriff der “diktatorischen Medienpolitik”. Differenzierte Betrachtung sieht meiner Meinung nach eher anders aus.

Ich habe es oft erlebt, dass der Umgang mit Journalisten für Mitarbeiter eine Herausforderung war. Unsicherheit über den Tenor oder Wirkung, den ein Artikel später habe könnte, oder negative Erfahrungen spielten eine Rolle. Ich nehme mich daher oft auch in der Rolle des Sparringspartners wahr, der Mitarbeiter und Management mit Aspekten der Öffentlichkeitsarbeit bekanntmacht und beispielsweise Interviews mit vorbereitet. Trotzdem läuft ein Großteil der Medienkontakte über mich – eben weil es mein Job ist.

Mit dieser Herangehensweise treten wir mit einer Meinungsrichtung aber eben nicht nur mit einer Stimme auf. Gerade die “One Voice Policy” ist in Zeiten von Social-Media ein Auslaufmodell, da Mitarbeiter – ob bewusst oder unbewusst – öffentlichkeitswirksam über ihre Netzwerke kommunizieren. Das nutzen Unternehmen mittlerweile, indem sie gezielt die öffentliche Kommunikation ihrer Mitarbeiter in eigenen Blogs oder auf Social-Media-Plattformen fördern. Mit unserem WEMAG-Blog gehen wir gerade die ersten Schritte in dieser Richtung. Das geht auch offline: Über die Weihnachts-Touren unserer Kommunalbetreuer beispielsweise informieren wir die Lokalpresse und laden sie zu den Terminen ein ohne selbst Öffentlichkeitsmitarbeiter vor Ort zu haben.

Um die Eingangsfrage “Ist die Kritik berechtigt?” zu beantworten: In Teilen ja. Vor allem für die in der FTD geschilderten Beispiele müssen sich die PR-Leute klare Worte gefallen lassen. Aber wer sich als Journalist über zu knappe und “floskelhafte” Zitate beschwert, sollte sich darüber nicht wundern, wenn er gleichzeitig eine Tendenz zur Skandalisierung in Medien einräumt. Auch den Vergleich mit Nordkorea halte ich für überzeichnet. Vertrauen gewinnt man sicher anders – und gerade darauf sollte die Beziehung zwischen Journalisten und PR-Leuten aufbauen.

Jost

Veröffentlicht von

Fünf Jahre war ich als Pressesprecher beim Öko-Energieversorger WEMAG erster Ansprechpartner für Journalisten und habe Blogs, yotube- und Twitter-Kanäle betreut, ebenso wie Kundenmagazine. Aktuell betreue ich die WEMAG-Tochter ReeVOLT! Freiberuflich bin ich als Berater, Keynote-Speaker, Autor und Blogger aktiv. Gelegentlich trifft man mich auf Kommunikationstagungen, beim DJV oder bdew. Hier schreibe ich aus meinem beruflichen, privaten und kreativen Alltag. Meine Social-Media Profile wie z.B. Google+ sind oben verlinkt.

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