Studie: Blogs sind im Redaktionsalltag angekommen

Etwa zwei von drei Journalisten greifen bei Recherchen auch auf Blogs zurück. Das allerdings etwas verhaltener als noch im Jahr 2012.

Etwa zwei von drei Journalisten greifen bei Recherchen auch auf Blogs zurück. Allerdings etwas verhaltener als noch 2012.

Journalisten greifen bei ihren Recherchen auf eine Vielzahl an Quellen zurück. Als feste Quelle haben sich Blogs etabliert, etwa zwei von drei Journalisten nutzen sie für Recherchen, mit leicht rückläufiger Tendenz. Das ist Ergebnis meiner Online-Umfrage “Wie häufig nutzen Journalisten Blogs?”, die ich erneut im Januar 2015 durchgeführt habe. Da erste Tendenzen zu meinem Erstaunen einen leichten Rückgang zeigten, habe ich die Zwischenergebnisse zur Diskussion gestellt. Auf dem Strategiegipfel Corporate Publishing und mit Umfrage-Teilnehmern wurden Zahlen ausgewertet, um die Ergebnisse besser interpretieren zu können.

Trotz sinkender Nutzung, steigt Bereitschaft aus Blogs zu zitieren:

Blogstudie-2015.004Etwa ein Viertel der 570 Umfrage-Teilnehmer gab an, regelmäßig Blogs für Recherchen zu nutzen. Weitere 39 Prozent nutzen Blogs gelegentlich und 36 Prozent verzichten komplett darauf. Im Vergleich zur Erhebung aus dem Jahr 2012 entsprechen diese 64 Prozent einem leichten Rückgang um 2,5 Prozent. Die Mehrheit der Journalisten – 77,5 Prozent – liest mehr oder weniger regelmäßig Blogs, ein Rückgang um 5,6 Prozent im Vergleich zur vorherigen Befragung. Allerdings stieg die Bereitschaft aus den recherchierten Blogs zu zitieren, um 2,5 Prozent und beträgt knapp 38 Prozent.

Blog-Nutzung abhängig von Medien, Alter und Ressort

Blogstudie-2015.006Bei der vergleichenden Betrachtung einzelner Gruppen, z.B. von jüngeren und älteren, bzw. Print- und Onlineredakteuren oder Ressorts, zeigen sich deutliche Unterschiede in der Entwicklung. Journalisten aus den Themengebieten Umwelt, Politik und Wirtschaft sind Spitzenreiter bei der Blogrecherche, während die Ressorts Regionales, IT&Technik sowie Tourismus am wenigsten Blogs in ihre Arbeit einfließen lassen. Auffälligste Entwicklung ist der Rückgang im regionalen Bereich: Hier gingen  Blog-Recherchen und -Abos um etwa 10-12 Prozent zurück.

Junge Journalisten nutzen Blogs regelmäßig

Blogstudie-2015.005 Unterschiede beim Nutzungsverhalten zeigen sich auch in den verschiedenen Altersklassen. Bei Pressevertretern in der Gruppe bis 30 Jahre steigt die regelmäßige Blognutzung um 20,3 Prozent. Journalisten dieser Gruppe sind auch eher bereit auch aus den Blogs zu zitieren: 56,3 Prozent – ein Plus von 14,4 Prozent.

In der Gruppe der Journalisten 30 bis 50 gibt es kaum Veränderungen. In der Gruppe ab 50 lässt sich eine Polarisierung beobachten: die gelegentliche Nutzung geht um 5,6 Prozent zurück, während jeweils regelmäßige Nutzung um 2,5 und die Ablehnung um 3,6 Prozent zunehmen

Zum Standardwerkzeug der Online-Journalisten gehören Blogs

Blogstudie-2015.007Bei Printjournalisten ist generell eine abnehmende Recherche- und Lesebereitschaft von Blogs zu beobachten: nur 56 Prozent nutzen hier regelmäßig oder gelegentlich Blogs für Recherchen – Ein Rückgang um 3 Prozent. Auch bei medienübergreifenden  Journalisten, Radio- und Fernsehreportern sind diese Zahlen leicht rückläufig. Bei Onlineredakteuren gibt es die gegenteilige Entwicklung: 83,5 Prozent geben an, Blogs regelmäßig oder gelegentlich für Recherchen zu nutzen. Dieser Spitzenwert ist seit 2012 um 3,7 Prozent gestiegen.

Jeder 4. Onlinejournalist bevorzugt Unternehmens-Blogs

Blogstudie-2015.015Unternehmensblogs werden für Journalisten anscheinend interessanter: So halten schon 14,8 Prozent aller Befragten Unternehmensblogs für relevanter als Presseseiten. Dies ist ein Zuwachs um 3 Prozent im Vergleich zu 2012. Bei Onlinejournalisten liegt die Zustimmung hier sogar bei 24,3 Prozent

anderen Medien sind beliebte Recherchequelle

Blogstudie-2015.011
Bei Onlinerecherchen setzen Journalisten am häufigsten auf Suchmaschinen (96,7 Prozent), Webseiten anderer Medien (82,8 Prozent) und auf offizielle Seiten von Unternehmen (82,1 Prozent) oder staatlichen Stellen (72,4 Prozent). Erst danach folgen rechnerisch Blogs mit 64 Prozent Nutzung. Auffälligste Entwicklung gegenüber 2012 ist die sinkende Nutzung von Unternehmensseiten um 4,5 Prozent – dadurch werden Medienseiten die zweitwichtigste Onlinequelle für Journalisten.

Blogstudie-2015.010Auch bei der Frage in welchen Blogs am häufigsten recherchiert wird, landen Medien weit vorn. Als häufigste Quelle werden Nachrichten-Blogs mit 72,7 Prozent angegeben. Sie liegt noch vor privaten Blogs 69,1 Prozent. Microblogs wie twitter/facebook erreichen 48,7 Prozent und werden häufiger genutzt als Blogs von Unternehmen (35,3 Prozent) oder NGOs (32,2 Prozent)

Recherchen in sozialen Netzwerken nehmen kaum zu

Blogstudie-2015.012Die Nutzung von MicroBlogs, sozialen Netzwerken und Foren für Recherchen stagniert, obwohl einige Berufsgruppen oder Altersklassen diese Medien aktiver nutzen. In den Altersklassen bis 30 Jahren und über 50 Jahren nahm die Nutzung um 2 bis 5 Prozent zu, während sie in der Altersgruppe 30-50 Jahre in verstärkt abnahm.

Verhältnis Journalisten und Blogger bleibt gespannt

Blogstudie-2015.014Die Ergebnisse zeigen einen differenzierten Umgang von Redakteuren und Bloggern. Hauptkritikpunkte der Journalisten an Blogs sind mangelnde Professionalität, Intransparenz hinsichtlich Bezahlung und Werbung, sowie die Intention der Herausgeber. „Es fehlt in der Regel schlicht der journalistische Anspruch“ meint Peter Baruschke aus der Redaktion „Selbst ist der Mann“. Für eine Nutzung von Blogs spricht sich Wolfgang Weissgerber, Chefredakteur der Evangelischen Sonntagszeitung aus, wenn „der Autor bekannt und vertrauenswürdig“ ist und führt als Beispiel Stefan Niggemeier an.

Fazit: Nutzung von Blogs professionalisiert sich

Blogs sind im Redaktionsalltag angekommen, die aktuelle Erhebung bestätigt in vielen Punkten die vorherigen Ergebnisse. Besonders für jüngere Journalisten, Onlineredakteure und freie Mitarbeiter zählen Blogs mittlerweile zu den festen Recherchequellen. Aber es lässt sich der Trend erkennen, Blogs entweder regelmäßig oder gar nicht zu nutzen. Die Angabe einer gelegentlichen Nutzung, egal ob beim Lesen oder Recherchieren nahm ab. Der insgesamt leichte Rückgang der Nutzungshäufigkeit lässt sich besonders auf die Altersklasse der über 50 jährigen Redakteure zurückführen. Als größte Kritikpunkte haben sich hier die hohe Quantität von Blogs und fehlende journalistische Standards manifestiert.

Aus einigen Antworten der etwa 15.000 angeschriebenen Pressevertreter liess sich eine sehr direkte Ablehnung gegenüber Bloggern erkennen, die ich vor zwei Jahren noch nicht beobachtet habe. Daher gab ich meiner ersten Auswertung den Titel “Bloggen hat doch nichts mit Journalismus zu tun!” Hier zeigt sich die Polarisierung m.E. am deutlichsten, während die Zitathäufigkeit von Blogs gestiegen ist, nahm die offene Ablehnung von Bloggern auch zu. Das scheint auch bei anderen Ehebungen der Fall zu sein: „Die Vehemenz einiger Kommentare hat uns schon überrascht“, so BZ.COMM Geschäftsfüher Sven Meyer in seiner aktuellen Umfrage, und bemerkt „hier scheint bei einzelnen Kollegen eine große Frustration zu herrschen.“

In fünf Punkten zusammengefasst:

  • Zwei von drei Journalisten recherchieren weiterhin auch in Blogs, Tendenz leicht rückläufig
  • Die Nutzung von Blogs für Recherchen schwankt alters- und medienabhängig
  • Blognutzung bei älteren Journalisten im Vergleich zu 2012 rückgängig
  • Hauptkritikpunkte sind fehlende journalistische Standards bei Blogs
  • Recherchen in sozialen Netzwerken nehmen kaum zu

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Zusammenfassung auf Slideshare ansehen:
Blogstudie-2015.001
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4 Kommentare » Schreibe einen Kommentar

  1. Danke für die ausführliche Studie. Als Blogger kann man schwer einschätzen wie ernst man genommen wird von Unternehmen und anderen Medien. Es zeigt sich in der Studie aber, dass die Reputation des Bloggers das wichtigste Gut ist, das man nicht leichtfertig aufs Dpiel setzen sollte.

  2. Jost, Deine Befragung ist großartig! Die Kritik mancher Journalisten offenbart zum einen die folgen der vorhandenen schwarzen Schafe: “Intransparenz hinsichtlich Bezahlung und Werbung”. Diese gleichen gibt es bei Journalisten auch. Mich würde interessieren, was sich genau hinter dem „Es fehlt in der Regel schlicht der journalistische Anspruch“ versteckt. Ich fände es spannend, wenn dieser Jornalist uns Bloggern erklärt, was er damit meint. Vielleicht gleich hier in Deinem Blog.

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